Er stand auf der Kärntnerstraße und sammelte Spenden für ein afrikanisches Projekt. So kamen wir ins Gespräch. Er war ein waschechter Wiener, studierte in Wien, aber in seinen Träume verweilte er in Dublin. Er hatte gerade zwei Monate dort verbracht und begann sofort wieder zu schwärmen. Als ich bemerkte, Wien sei doch eine sehr schöne Stadt, überlegte er einen Moment und sagte dann im schönsten Wiener Schmäh : Weißt du, ich sag mir immer, Wien ist eine schöne Stadt um alt zu werden.
Später dachte ich über diesen Satz nach. Zugegeben, Wien traditionsreich zwischen Biedermeier und Jugendstil kann wunderbar altmodisch sein. Es kommt einem vor, als wäre die Zeit stehen geblieben.
Ich betrat ein Kaffeehaus, bestellte einen Einspänner (schwarzer Kaffee mit Schlagsahne und Staubzucker) und begab mich in die Rolle des stillen Beobachters. Auf den ersten Blick schien alles wie seit ewigen Zeiten, so muss es vor hundert Jahren auch schon zugegangen sein. Einige Köpfe steckten vertieft in einer der Tageszeitung, die in umfangreicher Auswahl zu Verfügung stehen. Der Ober in einem schwarzen Anzug und weißem Tuch über dem Arm. Die Kuchenmädchen in schwarzer Uniform mit weißen Spitzenschürzen.
Dieser Eindruck änderte sich, als jemand eintrat und sein Notebook aufklappte. Im Kaffeehaus geht man heute kabellos ins Internet. Ich studierte aufmerksam die Karte und musste feststellen, dass sich neben der Melange und dem Einspänner, Café Latte und Cappuccino eingeschlichen hatten. Annäherungen der Wiener an moderne Zeiten. Und noch etwas hatte sich geändert. Früher tauchte man beim Betreten eines Kaffeehaus ein in Zigarettendunst und Kaffeeduft. Seit Juni 2010 herrscht Rauchverbot. Für viele eine Erholung, für Raucher eine Katastrophe.
Steigt man am International Centre aus der U-Bahn und hebt seinen Blick zu den Wolkenkratzern, dann gibt es keinen Zweifel, dass es wirklich existiert: Das moderne Wien.
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