New York, Manhattan

                                                                                     
Ich saß an der Theke einer Hotelbar in der Lexington Ave und versuchte wieder einmal einen amerikanischen Barkeeper daran zu hindern, das ganze Glas mit Eis zu füllen. “Bitte nur ganz wenig Eis” sagte ich in einem flehenden Ton. Er stutze kurz, beendete seine Arbeit und stellte mit einem freundlichen Lächeln den Campari - Orange vor mich. Das Glas war “nur” halb voll mit Eis. Ich nippte an dem Getränk, es schmeckte sehr gut.
Auf dem Barhocker neben mir saß ein Mann in einem blauen Hemd. Ich bemerkte, dass er mich beobachtete, und wandte mich kurz zu ihm, woraufhin er Mut schöpfte mich anzusprechen. Er fragte mich woher ich komme. Ich sagte: “ Aus Deutschland.” Er nickte mit dem Kopf und zog an seiner Zigarette. Da komme er gerade her, sagte er und blies den Rauch in die Luft. Ihm wäre es genauso ergangen, ständig gab es Probleme wegen dem Eis. Entweder man gab ihm nur einen winzigen Würfel ins Glas oder gar keins. Ständig musste er bitten: “Kann ich noch etwas Eis haben. Bitte machen sie mir mehr Eis ins Glas.” Am schlimmsten erging es ihm in Frankreich, sagte er.  Dort fasste die Kellnerin, nachdem er seine Bitte geäußert hatte, an die Colaflasche und zischte ihn an :  “ Aber die ist doch kalt.”
Wir mussten beide über unsere kulturelle Eigenheiten herzlich lachen. Ich erfuhr, dass er in San Diego, Kalifornien lebte, und auf der Heimreise war. Er hatte sein Leben lang als Zöllner an der Grenze zu Tijuana, Mexiko gearbeitet. Nun war er seit einem Jahr in Rente. Seine Vorfahren kamen aus Deutschland, aus dem Schwabenland, und es war immer schon sein Traum Europa, insbesondere Deutschland kennen zulernen. Es gab da aber ein Problem: er hatte extreme Flugangst. Keine zehn Pferde hätten ihn in einen Flieger gebracht. Es blieben also nur der Land- und Seeweg übrig. Nun, wo er in Pension war, konnte er endlich dieses zeitaufwendige Unterfangen in Angriff nehmen. Er war insgesamt drei Monate unterwegs. Zuerst durchquere er Amerika mit der Bahn von der Westküste zur Ostküste, mehrere tausend Kilometer von San Diego nach New York. Dann bestieg er das Schiff nach Amsterdam, um dann wieder mit dem Zug durch halb Europa zu fahren. Nun war er wieder in seinem Heimatland angekommen, hatte ein paar Tage in Manhattan verbracht, und bestieg einen Tag später den Zug nach San Diego.

1 Kommentar:

  1. Mir gefehlt wie du die Geschichten schreibst. Kurz aber trotzdem Ausführlich. beim lesen hatte ich das Gefühl ich bin dabei.

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