Rom, Piazza Santa Maria Maggiore

























Vor einem Kiosk, gegenüber der Piazza Santa Maria Maggiore, stand am Straßenrand im tosenden Verkehr, ein Häuschen aus Pappkarton. Es war ungefähr 2,50 m lang, 1,5 m hoch, beklebt mit Veranstaltungsplakaten und Kosmetikwerbung, abgedeckt mit Klarsichtfolie und mit weißer Kordel verschnürt wie ein Päckchen.
Vor dieser Behausung saß auf einem umgestülpten blauen Getränkekasten eine ältere, hagere Frau, ja ich möchte fast sagen, eine Dame. Sie war weder verlumpt noch verwahrlost, sondern glich eher einer Person die in Boutiquen ein- und ausgeht. Sie trug eine schwarze, schmale Hose und einen anliegenden, schwarzen Pulli. Der einzige Stilbruch waren ihre braunen Kordpantoffeln. Sie fiel mir zum ersten Mal auf, als sie gerade mit einer Tube Shampoo in der Hand, an einem Brunnen eine Plastikflasche mit Wasser füllte, und sich im Rinnstein die Haare wusch. Anschließend setzte sie sich in die Sonne und ließ sie trocknen. Das Haar war grau, kinnlang und akkurat geschnitten.
Ich machte mir am Zeitungsstand vor dem Kiosk zu schaffen, und hörte wie sie Selbstgespräche führte, genau genommen schimpfte sie. Was mich aber vollkommen überraschte, sie sprach Deutsch. Ich versuchte mit ihr ins Gespräch zu kommen, jedoch sie reagierte abweisend und behauptete Italienerin zu sein.
Ich habe oft über sie nachgedacht. Was war im Leben dieser Frau passiert, dass sie in einem fremden Land in der Obdachlosigkeit landete. Als ich sie im Frühling wieder aufsuchte, war das Papphäuschen verschwunden. Scheinbar hatte man es entfernt, nur sie selbst konnte man offenbar nicht vertreiben. Sie saß immer noch auf dem umgestülpten Getränkekasten und ihre ganze Habe war im Einkaufwagen eines Supermarkts verstaut.
Jedoch einen Herbst später war sie und die Behausung wieder da, im neuen Outfit, am Straßenrand zwischen Mülltonnen und parkenden Autos.


 
                                                                          



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