Mit dem Langboot auf Exkursion, Ecuador

























Wir tuckerten mit dem Langboot an winzigen Siedlungen vorbei. Indiofrauen wuschen Wäsche im Fluss, mähten am Ufer Gras mit der Machete. Nackte Kinder spielten mit Pfeil und Bogen. Im Wasser lagen Baumstämme, auf denen sich Wasserschildkröten sonnten. Libellen standen in der Luft. Wir fuhren von Haupt- in Nebenflüsse. Weit und breit gab es nirgendwo eine Straße, wir bewegten uns ausschließlich auf Wasserwegen. Nachts folgten uns auf dem Fluss die funkelnden Augen der Alligatoren.
Das Boot legte auf einer Sandbank an. Große orangefarbene und blaue Flecken entpuppten sich als große Ansammlungen von Schmetterlingen. Wir stolperten in Gummistiefel durch das Unterholz des Regenwalds, kletterten über umgestürzte Bäume, durch-querten Wasseradern. Das Wasser stand uns bis zur Hüfte. Wir begegneten riesigen Insekten, entdeckten die wunderbarsten Orchideen und Heilpflanzen, die der Urwald im Überfluss bietet. Wer hier krank wird, geht zum Schamanen. 
Auf dem Rückweg zum Camp überraschte uns ein schwerer Schauer. Wir ließen uns im strömenden Regen auf alten Autoreifen flussabwärts treiben. Man versicherte uns, dass sich Piranhas nur in stagnierendem Wasser zur Gefahr werden, aber niemals in fließendem Wasser. Der Fluss schimmerte grün, Zweige hingen im Wasser und jedes Blatt tropfte. Die Stromschnelle vor dem Camp macht das Erreichen des Ufers zu einer echten Herausforderung.


Im Urwaldcamp, Ecuador
























Wir fuhren mit dem Langboot flussaufwärts. Die Berge lagen in nebligen Wolken. Auf umgestürzten Bäumen saßen Kormorane, die mit ausgebreiteten Flügeln ihre Federn trocknen. Nach geraumer Zeit wurden wir am Ufer abgesetzt. Das Camp bestand aus ein paar quadratischen Hütten auf Stelzen ohne Seitenwände, und mit weit nach unten gezogenem Palmblattdach. Auf dem Boden lag eine Matratze, darüber ein Moskitonetz.
Es gab keinen Strom, keine Dusche und keine Wasserhähne. Es gab den Fluss und es gab ein Plumpsklo für alle.


Morgens brachen wir zu Exkursionen auf. Nachmittags überfiel uns in der drückenden Schwüle eine bleiende Trägheit. Wir verbrachten Stunden in der Hängematte, um uns ein paar handzahme Aras, die sich mit Streichen die Zeit vertrieben. Eine Vogelspinne arbeitete sich an meinem T-Shirt empor. Ich ließ sie gewähren. An meinem Nacken hielt sie inne, und rührte sich nicht mehr von der Stelle. Nach einer Weile kamen die Kinder des Camps mit einem Besen, und trugen sie davon.
In der Dämmerung stachen uns niederträchtige, kleine Moskitos in die Füße. Antonio unser Guide spielte auf der Gitarre. Handtellergroße braune Nachtfalter wurden vom Kerzenlicht angezogen. Ich las derweil im Dunkeln, mit der Taschenlampe. Aus den Bäumen ertönte ein zischen, knistern und tröpfeln. Baumfrösche piepten ihr melodisches Lied. Hin und wieder das Geschrei der Affen. Kakerlaken monströs wie in einem Gruselfilm, rannten an meiner Matratze vorbei.


Am Rio Napo, Ecuador























Es war Mitte November und die Regenzeit hatte früher als erwartet eingesetzt. Als wir in Misahuallí, einem kleinen Provinznest, eintrafen, überraschte uns ein schwerer tropischer Regen mit Blitz und Donner. Auf unbefestigten Straßen hatten sich große Wasserlachen gebildet. Wir packten unsere Gummistiefel aus, das einzige Schuhwerk, das hier die Regenzeit übersteht, die von Dezember bis März dauert.
In Misahuallí fließt der gleichnamige Fluss in den Rio Napo. Das Dschungeldorf ist Ausgangspunkt für die unterschiedlichsten Exkursionen. Öltürme und Pipelines sind zum Glück noch nicht bis hierher vorgedrungen. Noch liegt über dem Dorf eine gewisse Beschaulichkeit.
Wir transportierten unser Gepäck zum Ufer, wo Langboote mit Außenborder auf uns warteten. Unter den Sohlen gaben unsere Gummistiefel schmatzende Geräusche von sich. Der Himmel war bedeckt und der Fluss lehmfarben, aufgewühlt vom Regen.

Der Rio Napo ist einer der wasserreichsten Zuflüsse des Amazonas. Er ist relativ flach, kann sich aber im März, am Ende der Regenzeit, auf eine Breite von mehreren hundert Meter ausdehnen. Noch können die Menschen, die zum großen Teil den Amazonien- Quichuas angehören, in diesem dünn besiedelten Gebiet, vom Jagen und Fischen leben. Außerdem roden sie kleine Parzellen Urwald und brennen das Dickicht ab. In die Asche pflanzen sie dann Mais, Maniok, Süßkartoffeln und Bananen, praktisch alles was sie für ihre Ernährung brauchen. Schnell ist man von der Urwaldromantik von Tarzan & Co geheilt, denn Tatsache ist, dass ein Mensch, der nicht in der Lage ist zu jagen oder zu fischen, in dieser grünen Hölle jämmerlich verhungern muss. Der scheinbare Überfluss des Urwaldes existiert nur in luftiger Höhe, in den Kronen der Bäume. Im Kampf um Licht erreichen sie jedoch eine Höhe, die nur noch für Vögel und Affen erreichbar ist.