Das Fest der blauen Männer


2300 km waren zurückgelegt. Acht Tage durch Frankreich und Spanien gefahren, die Meerenge von Gibraltar überquert, und Marokkos Straßen entlang der Atlantikküste nach Süden gefolgt. Übernachtet in Hotels, im Zelt und im Schlafsack in menschenleeren Landschaften. In Agadir lagen noch 400 km vor uns. Die Landschaft wurde immer karger. Am Ende begleiteten uns nur noch Sanddünen und endlose Geröllfelder. Auf pfeilgerader Straße überraschten uns gefährliche Sandverwehungen.
Noch gibt es sie, die "Blauen Männer", die mit ihren Wüstenschiffen durch die Sahara ziehen. Aber es werden immer weniger, und die Dromedare werden gegen Lastwagen eingetauscht. Feste Grenzen, staatliche Bemühungen zur Ansiedlung, und die zunehmende Wasserknappheit sind der Grund für fortschreitende Veränderungen. Viele sesshaft gewordene leben vom Tourismus.
Aber einmal im Jahr, gewöhnlich Ende Mai, versammeln sich die Berberstämme aus dem Süden Marokkos und den angrenzenden Ländern in Tan Tan, einer kleinen Stadt am westlichen Rand der Sahara, zum "Fest der blauen Männer". Ihren Namen haben sie nicht nur von der indigoblau gefärbte Bekleidung. Die Stoffe sind nicht besonders farbbeständig. So rinnen in der Hitze unter den Tüchern, die ihren Kopf vor Sonne und Sand schützen, Schweiß und Farbe über ihre Haut und hinterlassen blau schattierte Gesichter.
Flöten und Trommeln ertönten im Hintergrund. Unter Zelten, gewebt aus braun-grauem Ziegenhaar herrschte ein buntes Treiben. Es wurde Tee getrunken, gefeilscht, man tauschte sich aus und knüpfe neue Kontakte. Und - außerhalb des Getümmel kündeten eine Ansammlung Reiter auf edlen weißen Pferden und stolzen Dromedaren den Beginn der Spiele an. 






Karneval in Quito

























Es ist Karneval, auch in Quito. Das wurde mir sehr schnell auf unangenehme Weise bewusst. Ein mit Wasser gefüllter Luftballon sauste durch die Luft und traf mich am Kopf. So ist es Sitte in Quito und mit Ahnungslosen wie den Touristen, macht das natürlich am meisten Spaß. Sogar Schüsseln voll mit Wasser wurden aus den Fenstern gekippt. Und noch was anderes bekam ich zu spüren, nämlich die Höhe auf der die Stadt liegt. Schon nach einem kurzen Lauf von vielleicht fünfzig Metern, war ich vollkommen außer Atem. Ecuadors Hauptstadt liegt auf 2800 Meter Höhe. 
Beim Anflug auf diese weitflächige weiße Zweimillionenstadt, erhob sich im Hintergrund eine ganze Kette fünftausender Berge, schneebedeckt und vulkanisch aktiv.
Auf der Avenida Amazonas, Quito Flaniermeile, flüchtete ich in eine Cafeteria und erholte mich erst mal von meiner Flucht. Es war ein sonniger Tag und die Luft von besonderer Klarheit. Wegen ihres milden Klimas wird Quito auch “Stadt des ewigen Frühlings”  genannt.
Ich bestellte einen Cafè cortado und schaute mir das bunte Treiben aus sicherer Position hinter Glas an. An der Straßenecke spielte eine Liveband und aus den Boxen des Cafès dröhnten pausenlos Salsa und Merenque. Über eine Gruppe Touristen rieselte gerade eine Ladung Mehl. Von einem Balkon segelten rohe Eier auf die Fußgänger nieder. Erst nach einer langen Pause wagte ich mich wieder auf die Straße. Ich erreichte das Hotel völlig  durchnässt.



Borneo, Mount Kinabalu Teil 2






































Am folgenden Morgen kam schon sehr früh Leben in die Schlafräume. Alle waren damit beschäftigt ihre Rucksäcke umzupacken, denn alles was man für die Bergtour nicht brauchte, konnte man in einem Depot lassen. In Restaurant des Gästehauses deckte ich mich mit Essen und Trinken ein. Ich hatte mich entschlossen den alpinen Teil des Berges auszulassen und statt dessen mehr Aufmerksamkeit auf die Vegetation zu legen. Am Ende dieses Tages war ich auch heilfroh mich so entschieden zu haben.
Bis ca. 2700 Meter durchquerte man einen kühlen Nebelwald mit dichtem Bambusgestrüpp und meterhohen Farnen. Danach wurde die Vegetation offener und die Sonne wechselte sich mit Nebelschwaden ab. Es folgte eine Zone mit hageren Bäumen, dicht bewachsen mit Moosen und Flechten und hier fand ich Gewächse die zu der Familie der fleischfressenden Pflanzen gehören: die Kannenpflanzen. Insekten werden von einen süßen Nektar am oberen Rand der Kanne angelockt. Dieser Rand ist jedoch sehr glatt, sodass sie im Inneren der Kanne in eine Lösung mit Verdauungsflüssigkeit stürzen, in der ihre Körper verdaut werden. Diese Kannen können bis 50 Zentimeter groß werden. Auf Borneo gibt über 30 verschiedene Arten dieser Spezies.

 












































Der Mount Kinabalu ist mit seinen 3500 Meter Höhe kein Berg der alpine Fähigkeiten erfordert. Und doch war der Aufstieg überraschend anstrengend. Der gesamte Aufstieg verläuft über Stufen. Stufen aus Stein, Stufen aus Wurzeln, Stufen in Felsen gehauen, befestigte Stufen aus Geröll. Es war, als würde man eine 2000 Meter hohe Treppe hinaufsteigen. Es ging über Stunden und nahm kein Ende. So war ich doch sehr erleichtert, dass in der Höhe von 3400 m der Aufstieg für mich zu Ende war. Ich übernachtete im Laban Rata Resthouse und am folgenden Tag musste ich  beim Abstieg  meine Knie immer wieder mit Gewalt durchdrücken, sie gaben immer wieder nach, als wären sie aus Gummi                                                                             

                                                                                      

Borneo, Mount Kinabalu, Teil 1















 







Nachdem mein Rucksack endlich angekommen war, brach ich gleich auf um mir im Büro von Sabah Parks einen der wenigen Schlafplätze im Headquarters und in der Berghütte des Mount Kinabalu zu reservieren. Am Busbahnhof, traf ich zum ersten Mal Europäer. Ein Belgier und sein Sohn hatten die gleiche Route. Wir bestiegen plaudernd einen Minibus und glitten hinaus in den Morgenverkehr. Eine sattgrüne Landschaft zog an uns vorbei. Kinder winkten am Straßenrand. Frauen im Sarong wateten knietief in überfluteten Reisfeldern. Wasserbüffel stampften vor einem hölzernen Pflug. 
Die Straße schraubte sich in höhere Lagen. Wir passierten Hängebrücken und einen Wasserfall und erreichte nach einer Weile das 1500 Meter hoch gelegenen Park Headquarters. Als wir ausstiegen erhob sich vor uns der merkwürdig gezackte Gipfel des Mount Kinabalu aus dem Nebel. Mit einer Höhe von 4100 Meter ist er der höchste Berg Südostasiens.
In einer schönen Parklandschaft standen zwei Gebäude aus braun gestrichenem Holz, die Verwaltung, ein Gästehaus. Das Gästehaus war einfach ausgestattet. Es gab zwei große Schlafräume mit Etagenbetten.
Ich machte einen langen Spaziergang. Begleitet von Vogelgezwitscher war ich inmitten von Farnbäumen, Rhododendronbüschen, Nestfarn, Lorbeergewächsen, riesigen Merantibäumen und vielen mir unbekannten tropischen Orchideen. Das Klima war sehr angenehm, jedoch als die Sonne untergegangen war, wurde es auf einmal kühl, denn Nebel breitete sich aus und erzeugte eine unangenehme Feuchtigkeit.
  

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Ein Spaziergang im Wiesbadener Naturschutzgebiet Rabengrund
























Der Rabengrund, geographisch gelegen zwischen Neroberg und Jagdschloss Platte, war einst ein geliebtes Ausflugsziel der Wiesbadener. Heute befindet sich hier ein Naturschutzgebiet. Vor dem Hintergrund einer Hügelkette mit bläulichen Nadelhölzern und ausgedehnten Laubwäldern zieht sich eine leicht gewellte Wiesenlandschaft mit Hecken und Büschen. Das Gebiet ist umgeben von Quellen, durchzogen von Rinnsalen und pappel-gesäumten Bächen. Begrenzt wird der Rabengrund durch einen vor mehr als hundert Jahren erbauten Rundweg, zum großen Teil gesäumt mit knorrigen Kastanien, die inzwischen in die Jahre gekommen, an manchen Stellen etwas windschief am Wegesrand stehen. Damals diente der Weg als Parcours für Pferdekutschen auf Spazierfahrt, heute ist er den Wanderern und Radfahrern vorbehalten. Im Verlauf des Weges befinden sich mehrere in Stein gefasste Quellen an denen man seinen Durst löschen kann.























Man kann hier das ganze Jahr über selten gewordene, und deshalb geschützte Pflanzen bewundern. Im Frühling sind es die Schlüsselblumen, in den Monaten Mai und Juni blühen hier mitteleuropäische Orchideen aus der Familie der Knabenkräuter, ebenso wie die weiße Waldhyazinthe und die Türkenbundlilie, und im Herbst leuchten die lila Kelche der Herbstzeitlose im Gras.







Ein ein Anruf von Singapore Airlines. Es war Adeline. Sie sagte, mein Rucksack wäre vielleicht in Amsterdam gefunden worden, ob sich ein Reiseführer über Thailand in meinem Gepäck befände. Über Thailand? - nein, das war er leider nicht. Die folgenden zwei Tage tat sich nichts. Nur Adeline rief mich morgens und abends an, um mir mitzuteilen, dass es keine Neuigkeiten von meinem Rucksack gab.
Kota Kinabalu war keine Stadt in der es viel zu besichtigen gab. Ich wurde immer verzweifelter und überlegte eindringlich was ich tun könnte. Mein Hauptproblem war die Bekleidung. Ich lief durch die ganze Stadt um etwas Tragbares zu finden. Es gab einige Geschäfte mit europäischer Mode. Aber ich wollte auf einen Berg steigen und nicht zu einer Party. Abends vertrieb ich mir die Zeit vor dem Fernseher. Es gab japanische und amerikanische Filme mit malaiischem Untertitel. An einem Abend wurde “Pretty Woman” gezeigt. Jedes Mal wenn sich die Beiden mehr als einen Meter näherten, war die folgende Szene heraus geschnitten. Es wurde prinzipiell in keinem Film geküsst oder sich umarmt, von anderen Intimität ganz zu schweigen.
Um die Mittagszeit lief ich zu den Garküchen am Markt, um bei den Frauen die frisch gekochte Speisen verkauften, was zu essen. Es gab duftenden Reis, frischen Fisch, Hühnchen und wunderbare mir unbekannte Gemüsearten. Eine davon schmeckte mir ganz besonders gut. Es sah ähnlich aus wie Spargel, war aber nur bleistiftdick und wurde Sabahgemüse genannt.

















Dann endlich, als ich die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, kam gegen Abend der erlösende Anruf. Mein Rucksack war in Penang, einer Insel der malaiischen Halbinsel vorgelagert gefunden worden, und sollte am folgenden Tag in Kota Kinabalu ankommen Und tatsächlich klopfte am nächsten Morgen jemand vom Hotel an meine Zimmertür, der Rucksack war von einem Taxifahrer abgegeben worden. Ich kontrollierte sofort den Inhalt. Zu meiner Überraschung war alles was ich eingepackt hatte noch drin, nichts fehlte. Nicht einmal der Teleskopstock der außen befestigt war. Ich war überglücklich.
                                                                                 

Borneo Ankunft Teil 1

























Ich stand im Flughafengebäude von Kota Kinabalu, Hauptstadt von Sabah, am Förderband und wartete auf meinen Rucksack. Es war 16.30 Uhr, die Temperatur betrug 30 Grad Celsius, die Luftfeuchtigkeit 90 %. Das hektische Treiben war bereits abgeebbt. Die Halle hatte sich geleert, das Förderband blieb stehen. Ich stand etwas verloren in Turnschuhen, langer Hose und Winterpulli in der Halle und verstand die Welt nicht mehr. Mein Rucksack war nicht erschienen.
Jemand vom Flughafenpersonal fragt mich höflich, ob er mir helfen kann. Ich erklärte mein Problem, woraufhin er mich zum Büro begleitete, und Adeline, einer Bodenstewardess im langen blau gemusterten Kleid überließ. Der Fragebogen war schnell ausgefüllt. Meine Adresse in Kota Kinabalu ? Nein, ich hatte noch keine, war ja gerade erst angekommen. Ich bekam eine Telefonnummer, bei der ich mich melden sollte, wenn ich eine Bleibe gefunden hatte. Ich zog den warmen Pulli aus und stand dann mit meiner Habe auf dem Arm: den Pulli, ein Fotoapparat und meine Papiere, in brütender Hitze am Hauptausgang. Ein Taxifahrer brachte mich zu einem Hotel, nicht zu teuer. Er kannte sich aus. Wir hielten vor dem Kinabalu Hotel, klang gut. An der Rezeption trug ich mich ein. Gepäck ? No, my luggage is missing. Das Zimmer war o.k. Zum ersten Mal freute ich mich über eine Klimaanlage. Erst am Abend wagte ich mich aus dem Zimmer. Aber, es war eine Illusion Abkühlung zu erwarten. Ich bewegte mich bewusst langsam auf der Schattenseite der Straße. Neugierige Kinderaugen starrten mich an und riefen “ Hello” hinter mir her. Weit und breit war ich die einzige Europäerin. Um dieser ungewohnten Aufmerksamkeit zu entgegen, setzte ich meine Sonnenbrille auf. Wie ein Kind glaubte ich, wenn ich mich hinter dunklen Gläsern verstecke, sehen mich die anderen auch nicht. Meine Füße brannten in den Turnschuhen. Ich wollte mich von ihnen befreien und schaue auf dem Markt nach Badesandalen. Jedoch, in diesem Land gab es keine Frau die Größe 39 trägt. Ich kam mir vor wie ein Elefant. Am Ende schlüpfte ich in ein paar Herrensandalen und meine Füße hatten endlich Luft. Jetzt noch eine leichte kurze Hose. Das gleiche Spiel. Sie waren mir zu eng und zu kurz. Ich fand auf dem Markt einen Sarong in wunderschönen Farben, und band ihn mir kurz entschlossen um die Hüften. Ich konnte aufatmen, die Hitze konnte mir erst nichts mehr anhaben. 


New York, Manhattan

                                                                                     
Ich saß an der Theke einer Hotelbar in der Lexington Ave und versuchte wieder einmal einen amerikanischen Barkeeper daran zu hindern, das ganze Glas mit Eis zu füllen. “Bitte nur ganz wenig Eis” sagte ich in einem flehenden Ton. Er stutze kurz, beendete seine Arbeit und stellte mit einem freundlichen Lächeln den Campari - Orange vor mich. Das Glas war “nur” halb voll mit Eis. Ich nippte an dem Getränk, es schmeckte sehr gut.
Auf dem Barhocker neben mir saß ein Mann in einem blauen Hemd. Ich bemerkte, dass er mich beobachtete, und wandte mich kurz zu ihm, woraufhin er Mut schöpfte mich anzusprechen. Er fragte mich woher ich komme. Ich sagte: “ Aus Deutschland.” Er nickte mit dem Kopf und zog an seiner Zigarette. Da komme er gerade her, sagte er und blies den Rauch in die Luft. Ihm wäre es genauso ergangen, ständig gab es Probleme wegen dem Eis. Entweder man gab ihm nur einen winzigen Würfel ins Glas oder gar keins. Ständig musste er bitten: “Kann ich noch etwas Eis haben. Bitte machen sie mir mehr Eis ins Glas.” Am schlimmsten erging es ihm in Frankreich, sagte er.  Dort fasste die Kellnerin, nachdem er seine Bitte geäußert hatte, an die Colaflasche und zischte ihn an :  “ Aber die ist doch kalt.”
Wir mussten beide über unsere kulturelle Eigenheiten herzlich lachen. Ich erfuhr, dass er in San Diego, Kalifornien lebte, und auf der Heimreise war. Er hatte sein Leben lang als Zöllner an der Grenze zu Tijuana, Mexiko gearbeitet. Nun war er seit einem Jahr in Rente. Seine Vorfahren kamen aus Deutschland, aus dem Schwabenland, und es war immer schon sein Traum Europa, insbesondere Deutschland kennen zulernen. Es gab da aber ein Problem: er hatte extreme Flugangst. Keine zehn Pferde hätten ihn in einen Flieger gebracht. Es blieben also nur der Land- und Seeweg übrig. Nun, wo er in Pension war, konnte er endlich dieses zeitaufwendige Unterfangen in Angriff nehmen. Er war insgesamt drei Monate unterwegs. Zuerst durchquere er Amerika mit der Bahn von der Westküste zur Ostküste, mehrere tausend Kilometer von San Diego nach New York. Dann bestieg er das Schiff nach Amsterdam, um dann wieder mit dem Zug durch halb Europa zu fahren. Nun war er wieder in seinem Heimatland angekommen, hatte ein paar Tage in Manhattan verbracht, und bestieg einen Tag später den Zug nach San Diego.